Presse

Isardreh - Süddeutsche Zeitung:

"Michael Gerwien`s Bücher können mit den Klassikern wie Eberhofer und Kluftinger mithalten."

 

Mord am Viktualienmarkt - Münchner Merkur:

"Autor Michael Gerwien ist ein waschechter Münchner, und das merkt man seinen Krimis an."

 

Mord am Viktualienmarkt - Münchener Wochenblatt:

"Gekonnt führt der Autor die Leser durch einen rasanten Plot ... Dabei lässt Autor Michael Gerwien wieder seine gewohnt bayerisch-humorvolle Art einfließen."

 

Stückerlweis - Janika B., Bloggerin Internet:

"... Das Buch ist nicht nur ein Krimi der spannend daherkommt und sich sicherlich auch gut als Tatort machen würde ..."

 

Andechser Tod - AZ München:

"... Michael Gerwien, der hier Satire, Krimi und außerirdischen Spuk zu einem sehr unterhaltsamen Roman zusammenmischt ..."

 

Alpentod - Kreisbote Garmisch-Partenkirchen:

"...Gerwien ist ein geschickter Schreiber ..."

 

Alpentod - Garmisch-Partenkirchener Tagblatt:

"... Krimiluft in Mittenwald - Herz, was willst du mehr ..."

 

Mordswiesn - Buch aktuell:

"... Immer wieder überraschend und bis zum Ende spannend ..."

 

Alpengrollen - Schwäbische Zeitung:

"... Ein gelungenes Debüt ..."

 

Alpengrollen - Tirolerin, die Illustrierte:

" ... humorvoll und pointiert ..."

 

Isarhaie - Münchner Merkur:

"... eine spannende, kurzweilige dritte Fortsezung ..." 

 

Isarblues - Tiroler Zeitung:

"... zum gern lesen ..."

 

Leserstimmen zu Gründerjahr:

"Ein Muss für jeden Münchner!"

"Heftig, aber unbedingt lesenswert."

"So spannend, dass ich nicht mehr aufhören konnte."

 

Leseprobe >Letztes Busserl im Hofbräuhaus<:

„Das kann doch nicht wahr sein“, meinte Bernd auf einmal kopfschüttelnd und mit bleichem Gesicht. Er winkte den Zeitungsverkäufer, der an den Tischen vorbeilief, zu sich her, kaufte ihm eine Abendzeitung ab und hielt die Schlagzeile auf der ersten Seite in die Runde. Daneben erkannte man unschwer Franz, wie er gerade jemandem Handschellen anlegte.  

„Das ist sicher nur ein schlechter Witz“, meinte Josef abwinkend.

„Natürlich.“ Max nickte.

„Will dir jemand schaden, Franzi? Hast du Feinde von denen wir nichts wissen?“ Bernd hielt Franz die Zeitung hin. Der las flüchtig.

„Jetzt ist es aber wieder gut mit euren schrägen Scherzen“, erwiderte er sichtlich erschrocken. Er wusste offensichtlich nicht, ob er nur so dasitzen oder los toben sollte. „Das ist jetzt nicht mehr witzig.“

„Finde ich auch“, sagte Sandra, die mitgelesen hatte, und nahm ihn in den Arm. „Das ist geschmacklos.“

„Was steht denn da?“, fragte Monika, die bisher noch nichts lesen konnte.

Bernd hielt ihr die erste Seite hin.

„Chef der Münchner Mordkommission hat junge Frau vergewaltigt“, las sie laut vor. „Das ist nicht wahr, oder?“ Sie sah Franz fragend an.

„Spinnst du? Natürlich nicht“, erwiderte er aufgebracht.

Monika las weiter laut vor: „Hauptkommissar Franz Wurmdobler, der kurz vor der Pensionierung steht, hat vor vielen Jahren eine frisch verheiratete Frau vergewaltigt. Die Geschädigte, Rosi Steininger, geborene Demplinger, ist erst jetzt mit der Wahrheit herausgerückt, weil sie bisher Angst gehabt hatte, der Karriere ihres erst kürzlich bei einem Autounfall verstorbenen Mannes, des angesehenen Strafverteidigers Herbert Steininger, mit einer solchen Geschichte zu schaden.“

„Wer schreibt denn einen solchen unbewiesenen Dreck“, echauffierte sich Max. „Und vor allem hat der Steininger damals sicher noch gar keine große Karriere gehabt. Es sei denn er ist ein gutes Stück älter als wir gewesen.“

„Geschrieben hat das Ganze ein gewisser Harry Meiser“, erwiderte Moni. „Da bist du sprachlos.“

 

Leseprobe >Isardreh<:

„Da, siehst du es?“ Der klein gewachsene glatzköpfige Hauptkommissar Franz Wurmdobler zeigte aufgeregt auf das Leuchtdisplay des länglichen Messgerätes in seiner Hand.

„Nein.“ Sein alter Freund, Ex-Kommissar Max Raintaler, schüttelte den Kopf. „Ich sehe nicht das Geringste, Franzi.“ Der jetzige Privatdetektiv trat einen Schritt zurück, damit Franz noch besser messen konnte.

„Aber das Ding hier schlägt aus wie wild. Da drüben muss ein Geist in der Nähe sein.“ Franz ging noch tiefer in die Ecke des dunklen Kellerraumes unterhalb des riesigen Bürokomplexes in der Münchener Filmstadt in Grünwald hinein, wohin ihn der bekannte Filmproduzent Waldemar Brachtinger vorhin am frühen Samstagabend gerufen hatte. Jetzt war es bereits 18 Uhr durch, und sie standen immer noch hier.

Das Licht hatten sie absichtlich ausgeschaltet, weil Franz´ neues Spielzeug, ein hochmodernes Suchgerät, um Geister aufzuspüren, angeblich nur im Dunkeln funktionierte. So hatte er es Max zumindest erklärt.

„Im Keller von unserem Bürogebäude spukt es schon wieder“, hatte Waldemar am Telefon gemeint. „Ein Poltergeist. Du hast mir doch beim letzten Stammtischtreffen von deinem neuen Hobby, der Geisterjagd, erzählt.“

Normalerweise wäre das zwar kein Fall für einen Mordermittler, hatte Franz daraufhin  geantwortet, aber Waldemar habe schon recht, die Geisterjagd sei auf jeden Fall seine neueste Leidenschaft. Deshalb würde er natürlich gerne gleich einmal mit dem Max Raintaler vorbeikommen, den Waldemar bereits ebenfalls vom Stammtisch her kenne. Der sportliche Blonde mit den stahlblauen Augen.

„Du mit deinen seltsamen Ideen.“ Max, der grundsätzlich immer neugierig war, wenn es etwas zu ermitteln gab und deshalb mitgekommen war, verdrehte genervt die Augen. Wäre er diesmal doch nur daheim geblieben. Das Ganze war für ihn nichts weiter als ein riesen Schmarrn. „Einmal willst du Kanzler werden“, fuhr er fort. „Dann machst du eine Diät im Kurhotel, bei der du nur Schweinsbraten in dich reinschaufelst, und jetzt fängst du auch noch damit an, mit einem albernen Geisteranzeigegerät einen angeblichen Poltergeist zu jagen.“

 

 

 

Leseprobe >Seegestöber<:

„Das ist ja grauenhaft.“ Die 38-jährige, wie immer ganz in schwarz gekleidete Hauptkommissarin und stellvertretende Leiterin der Traunsteiner Mordkommission, Hanna Schmiedinger, zeigte auf die Leiche des schlanken Mannes im Jogginganzug zu ihren Füßen, bei der das halbe Gesicht fehlte. „Was ist mit ihm passiert?“ Sie musste achtgeben, dass ihr das Croissant, das sie gerade zum schnellen Frühstück auf der Fahrt hierher gehabt hatte, nicht gleich wieder hochkam.

„Jemand hat ihm von hinten eine Kugel durch den Kopf geschossen“, erwiderte ihre blonde Kollegin, die 34-jährige Kommissarin Sabrina Hornsteiner. Sie hatte sich als Frühaufsteherin bereits eine gute halbe Stunde vor Hanna, um kurz nach acht, hier am Tatort nur zwei Kilometer außerhalb von Söll eingefunden. „Er war sofort tot.“

„Tatsächlich? Das hätte ich jetzt nicht gedacht.“ Die dunkelhaarige Hanna blickte Sabrina herausfordernd an.

„Ich finde das nicht witzig.“

„Hast ja recht“, brummte Hanna. „Alles gut. Die Austrittswunde im Gesicht sieht echt schrecklich aus.“ Sie trank einen Schluck aus dem Pappbecher in ihrer Hand. Ihr leuchtender Lippenstift hinterließ dabei einen knallroten Kussmund am Rand. „Widerliche Plörre“, murmelte sie genervt. „Nicht einmal mehr einen anständigen Kaffee bekommt man heutzutage, egal wo man ihn kauft. Die Welt ist dem Untergang geweiht.“

 

Leseprobe >Mord am Viktualienmarkt<:

„Was ist los, Max?“ Josef kam mit verschlafenem Gesicht aus dem Wohnzimmer. „Was ist das hier für ein Geschrei?“

„Ich werde verhaftet“, erwiderte Max.

„Was? Von wem? Warum?“ Josef gähnte ausgiebig. Dann zwirbelte er seinen Schnauzbart zurecht.

„Einer von Franzis Leuten verhaftet mich wegen des Mordes an Mathilde.“ Max tippte sich mit dem Zeigefinger an die Stirn.

„Was? Spinnt der?“ Josef kratzte sich ausgiebig am Hinterkopf. „Du hast doch vorhin gesagt, die Sache wäre geklärt.“

„Das dachte ich auch. Ist aber anscheinend doch nicht so. Behauptet der James-Bond-Verschnitt in der Tür jedenfalls.“

„Sag mal, Kamerad, hast du wirklich nichts Besseres zu tun, als Unschuldige zu verhaften?“ Josef blickte Karl herausfordern an.

„Wer sind Sie?“, erwiderte Karl. Er hielt seine Waffe nach wie vor im Anschlag.

„Josef Stirner, und wer bist du Kaschperl?“

„Den nehmen wir ebenfalls mit, Leute“, befahl Karl seinen uniformierten Begleitern, während er auf Josef zeigte. „Anscheinend ist er ein Komplize des Mörders Raintaler.“

„Ist der nicht ganz sauber?“, raunte Josef Max zu. „Er wirkt, als wäre er geradewegs aus der Nervenheilanstalt entsprungen.“

 

Leseprobe >Bluadsbagage<:

 

Adofo rannte wie von Furien gejagt hinter dem Altar entlang zum Seitenausgang. Er musste es unbedingt zum Pfarrhaus hinüberschaffen. Dort könnte er sich zumindest erst einmal verschanzen.

Voller Angst drehte er sich um. Wollte sich vergewissern, ob er seine Verfolger nach seinem Spurt quer durch das schwach beleuchtete Kirchenschiff möglicherweise ein Stück weit abgehängt hatte. Doch sie klebten ihm nach wie vor an den Fersen. Nicht einmal 50 Meter von ihm entfernt. Drei schwarz verhüllte, breitschultrige Gestalten. Die Gesichter nicht zu erkennen. Sie waren ihm also tatsächlich durch den Vordereingang hier herein gefolgt. Schienen keinen Respekt vor dem heiligen Boden unter ihren Füßen zu haben.

Zum ersten Mal hatte er sie bemerkt, als er gegen 22 Uhr aus dem Alten Wirt gekommen war. Sie waren ihm gefolgt. Hatten sich zunächst knapp hinter ihm gehalten. Zuerst hatte es ihn nicht weiter irritiert. Doch dann hatten sie ihn angepöbelt, waren aggressiv und beleidigend geworden, und er hatte einen Schritt zugelegt.

Sie hatten daraufhin ihr Tempo ebenfalls erhöht, woraufhin er ein weiteres Mal schneller gegangen war, bis er schließlich zu rennen begonnen hatte.

Jetzt hetzte er panisch weiter.

Lief, so schnell es ging.

Leseprobe >Monacomord<:

Nicht mehr lange und der erste Akt seiner Rache wäre erledigt. Voller Vorfreude rieb er sich kurz die Hände. Massierte die Finger. Knackte mit den Knöcheln.

Wie oft hatte er damals in der Verhandlung wohl seine Unschuld beteuert? Aber niemand wollte ihm glauben.Nicht einmal sein eigener Anwalt. Ein ehemaliger Fremdenlegionär war für die Prozessbeteiligten anscheinend so etwas wie ein vorbestrafter Verbrecher gewesen.

Jetzt sollten sie alle der Reihe nach bereuen, was sie ihm angetan hatten. Zumindest die drei Hauptschuldigen sollten für ihre Ignoranz büßen. Wobei einige andere damals Anwesende sicher auch den Tod verdient hätten. Zum Beispiel sein Anwalt, der jämmerliche Versager.

Er bemerkte, dass sein Kopf etwas zu weit aus der Hecke hervorlugte. Rutschte noch ein Stückweit zurück. Auf keinen Fall durfte der Richter ihn entdecken, bevor er abdrücken konnte.

Kurze Zeit später tauchte der kleine Wichtigtuer auch schon auf. Pünktlich um 20.10 Uhr, wie jeden Montag. Das automatische Licht vor seinem Eingang schaltete sich ein. Gut so. Noch bessere Sicht.

Steiner blickte sich immer wieder nach allen Seiten um, während er hektisch seinen Hausschlüssel aus der Hosentasche kramte.

Ahnte er, dass er gleich sterben würde? Hatte ihn jemand gewarnt? Möglicherweise Raintaler und die miesen Kerle von der Kripo.

Langsam legte er auf ihn an. Nahm ihn gründlich ins Visier. Sein Finger berührte den Abzug.

Er wartete kurz. Atmete entspannt aus.

Leseprobe >Hannas Leichen<:

Sonntag, 8.30 Uhr. Mühsam wühlte sich die Sonne durch den vorherbstlichen Morgennebel. Es würde eine Weile dauern, bis sie die grauen Schwaden ganz vertrieben hatte.
»Sie sehen beinahe friedlich aus.«

Die 38-jährige Hauptkommissarin Hanna Schmiedinger betrachtete nachdenklich das nackte Paar, das tot neben dem Pool der abseits gelegenen Villa am Stadtrand von Burghausen auf dem taufeuchten Rasen lag. Sie waren noch nass. Die Jungs von der Spurensicherung schienen sie gerade erst aus dem Wasser gefischt zu haben. Die Frau war bildhübsch. Der Mann älter als sie. Dürre Beine, einen Schmerbauch und eine Halbglatze.
Die junge Schöne und das reiche Biest, schoss es Hanna in den Kopf. Das hatten wir doch schon.

Die stellvertretende Leiterin der Traunsteiner Mordkommission fühlte sich heute Morgen alles andere als fit. Gestern hatte ihr Chef, der grauhaarige Kriminalrat Beissner, in der Traunsteiner Inspektion seinen 60. Geburtstag gefeiert. Anwesenheitspflicht für alle. Vorhin um halb acht rief dann ihre fünf Jahre jüngere Kollegin, Kommissarin Sabrina Hornsteiner bei ihr zu Hause an und schickte sie her. Sabrina war gestern bereits zeitig von der Party nach Hause gegangen, weil sie heute Frühdienst hatte. Einer von ihnen musste auch an den Wochenenden immer in diesen sauren Apfel beißen. Diesmal hatte es die quirlige Blondine erwischt.

Nicht einmal genug Zeit, um sich anständig zu schminken, hatte Hanna gehabt. Geschweige denn, um ihre zerzausten dunklen Haare zu waschen, die ihr bis über die Schultern herabhingen. Ein Friseurbesuch wäre auch mal wieder angesagt. Sie musste wie der reinste Zombie aussehen. Wenigstens konnte sie vorhin noch wie gewohnt ihren geliebten knallroten Lippenstift aus Frankreich auflegen. Es musste immer der eine, ganz bestimmte aus Frankreich sein. Nur er hatte diesen intensiven grellen Farbton, den sie so liebte.

Sie trug Lederjacke, Pullover und Stiefel. Wie immer schwarz. Nur ihre figurbetonende, hautenge Jeans schlug heute aus der Reihe. Sie war dunkelblau. Ihre vier schwarzen Jeans, die sie für gewöhnlich trug, lagen auf dem riesigen dunklen Wäschehaufen in der Küche vor der Waschmaschine. Die dunkelblaue, an den Knien absichtlich von Fabrik an eingerissene Jeans war die einzige nicht schwarze, die sie noch hatte, seit sie vor zwei Jahren den coolen Bernd in einem Gothic-Club in München kennengelernt hatte.

Bernd war inzwischen längst Geschichte. Gothic-Clubs auch. Aber den Tick mit der schwarzen Kleidung hatte sie damals zu ihrem neuen persönlichen Stil erkoren. Es gefiel ihr einfach, sich nicht jeden Tag von Neuem auf verschiedene Farben einstellen zu müssen. Vorausgesetzt die Sachen waren gewaschen.

Leseprobe >Gründerjahr<:

»Der Kurt Eisner ist ein großartiger, gerechter Mensch, meint mein älterer Bruder«, hatte sie gesagt. »Er verhilft uns kleinen Leuten zu einem anständigen Leben. Sogar uns Frauen will er erlauben, zur Wahl zu gehen. Der König hat nichts auf uns gegeben.«

»Mag sein«, hatte er erwidert und sogleich das Thema gewechselt. Politik war nicht gerade sein Steckenpferd. Er bewegte sich dabei auf unsicherem Terrain. »Wohnen Sie noch bei Ihrer Familie?«

»Wieso interessiert Sie das?« Eine Spur von Misstrauen war in ihren Augen aufgeblitzt.

»Nur so. Weil Sie von Ihrem Bruder erzählt haben.«

»Ach so.« Sie hatte genickt und verstehend gelächelt.

»Nein. Der lebt in Dachau. Wir sehen uns kaum. Ich lebe allein. Mein Mann und unser Vater sind vor Lüttich gefallen. Unsere Mutter ist vor drei Jahren gestorben. Beidseitige Lungenentzündung. Nichts mehr zu machen.«

»Mein Beileid. Schwere Zeiten für uns alle.« Lieber Herrgott im Himmel. Besser hätte es gar nicht kommen können. Niemand würde sie in den nächsten Stunden vermissen.

»Ja, es ist nicht leicht in dieser Zeit. Gerade für eine junge Frau. Das kann ich Ihnen sagen.«

Ihre Augen, ihr Mund, ihr Blick. Alles an ihr hatte ihn immer stärker dazu gedrängt, sein Werk endlich zu beginnen.

Sobald niemand mehr um sie herum zu sehen gewesen war, hatte er ihr den Mund zugehalten, sie fest von hinten gepackt, hinter ein Gebüsch geschleift, schnell mit Chloroform betäubt und hierher in die Nähe des Flussufers getragen, wo um diese Zeit keine Spaziergänger mehr unterwegs waren.

Ein heruntergekommener Kriegsheimkehrer hatte ihm das Betäubungsmittel in einem kleinen Lokal beim Hauptbahnhof verkauft. Er war Sanitäter gewesen, wie er sagte. Wollte weitertrinken, um die Gräuel der Schlacht zu vergessen, und hatte kein Bargeld mehr dafür.

Er hatte ihm beileibe nichts Falsches angedreht. Die Flüssigkeit in dem braunen Fläschchen wirkte enorm schnell, wie er zufrieden feststellen konnte.

Leseprobe >Wolfs Killer<:

Dienstag, 22.05 Uhr, Havanna, Kuba.

„5.000 Peso für 100 Gramm? Kommt mir reichlich teuer vor, mein Freund.“ Arthur sah den dunkelhäutigen Kubaner, der auf der anderen Seite des Tresens stand, mit gerunzelter Stirn an.

„Ist verdammt guter Stoff, Mann.“ Der Barkeeper mit den langen schwarzen Haaren wich Arthurs vorwurfsvollem Blick nicht aus.

„Ich geb dir 3.000. Mehr hab ich noch nie bezahlt.“

„Zu wenig.“

„Lassen wir’s.“ Arthur machte Anstalten, sich von seinem Barhocker zu erheben.

Wolf, der die ganze Zeit über neben ihm gesessen hatte, stand ebenfalls auf.

Arthur hatte ihn hierher in diese düstere Kaschemme am Stadtrand von Havanna geführt. Nur er, Arthur und der Kubaner hinter der Bar waren anwesend.

Der Laden sei ein todsicherer Tipp von einem guten Bekannten, hatte Arthur gemeint, als sie vor zwei Stunden im Hafen festmachten. Eine echte Bruchbude.

Aber es gäbe dort den besten Stoff auf Kuba.

Ohne Koks würde er keine weitere Stunde überleben. Er müsse unbedingt dorthin. Sofort. Da könne Wolf mit seiner Pistole herumfuchteln, wie er wolle. Ihm wäre das egal.

„Okay“, sagte der Kubaner jetzt schnell.

„Was okay? 3.000? Also doch?“

Leseprobe >Schattenrächer<:

Die Kakerlake, die er seit einiger Zeit beobachtete, erklomm Wolfs linken Handrücken. Als sie den blutigen Verband an seinem abgeschnittenen Zeigefinger erreichte, hielt sie inne. So, als schnupperte sie daran.
Konnten Kakerlaken riechen?
Mühsam hob er seine Rechte ein Stück weit an, um sie zu verscheuchen.

Sinnlos. Zu wenig Kraft. Er ließ seinen Arm erschöpft auf den Boden zurücksinken.
Sie machte sich weiter an seinem Verband zu schaffen.
Hoffentlich rief sie nicht auch noch ihre Freunde herbei.
Was fraßen die Dinger eigentlich? Fleisch?
Wo zum Teufel war er nur?
Er blickte geradeaus über das hässliche Kleintier mit den langen Fühlern hinweg. Erkannte eine schräg daliegende eingefallene Hausmauer im fahlen Mondlicht. Ansonsten herrschte nahezu völlige Dunkelheit. In seinem Gedächtnis sah es nicht viel anders aus.
Falsch.
Langsam erinnerte er sich wieder. Eine Bar, laute Musik, blitzende Goldzähne.

Ein Fest der Einheimischen. Frauen in rot-weißen Trachten, Männer im dunklen Anzug, später am Abend Fado-Gesang.
Lissabon, Portugal.
Alles andere fiel ihm ebenfalls wieder ein. Er kam gestern Abend hier an. Nach seiner gelungenen Flucht aus Deutschland
quer durch Frankreich und Spanien.
In Sicherheit war er deshalb allerdings noch lange nicht.
Bestimmt suchte ihn die Polizei. In München hatten sie sicher Interpol eingeschaltet. Wollten garantiert ihm den Mord an seiner Frau Rebekka in die Schuhe schieben. Verdächtigten ihn des Mordes an diesem Amerikaner Summer und an Rebekkas Killer Nobody. Dabei war es beide Male Notwehr gewesen.
Doch das wusste nur er.
Er rätselte, wieso um alles in der Welt er hier im Staub lag. Unter größter Anstrengung tastete er nach seiner Geldbörse in der Gesäßtasche seiner Jeans.
Hielt inne. Sie war leer.
Er suchte weiter. Nichts.
Verdammt. Kreditkarten, Scheckkarten, Personalausweis. Alles war darin gewesen.

Leseprobe >Schattenkiller<:

»Wie viel?«, wollte der Chef von Gunther Gräber wissen.
»Bei 5.000.000 Euro haben wir aufgehört, wie abgemacht. Er wollte nichts davon wissen.«
»Und?«
»Wir haben ihm ein bisschen Angst gemacht.«
»Angst gemacht? Wieso? Ihr solltet ihm Geld anbieten, sonst nichts.«
»Aber er wollte doch kein Geld.« Gunther zuckte die Achseln. Unwillkürlich. Natürlich würde es der Chef nicht sehen. Er war in seinem Büro am anderen Ende der Leitung.
»Na und? Da geht man eben wieder und wartet auf neue Instruktionen.«
»Aber sagten Sie nicht selbst, wir sollten ihm Druck machen?« Er hatte sich das doch nicht eingebildet. Der Chef hatte es klar und deutlich so gesagt. Verdammt noch mal. Erst wurden einem Befehle gegeben und danach wurden sie abgestritten.
»Was ist? Hat er geredet, eingewilligt?«, wollte der Chef wissen, anstatt zu antworten.
»Eher nicht. Er kam nicht mehr dazu.«
»Was heißt das?«
»Na ja … also … ich glaube, er bewegt sich nicht mehr.«
»Du glaubst, er bewegt sich nicht mehr? Was ist das denn schon wieder für eine Scheiße? Bewegt er sich oder nicht?«
Der Chef hörte sich normalerweise nie besonders freundlich oder unfreundlich an. Eher neutral arrogant. Gerade klang er allerdings mehr als unfreundlich.
»Also, … eher nicht.«
»Eher nicht?«
»Sicher nicht.«
»Was jetzt? Eher nicht oder sicher nicht?«
»Na ja … also … der ist wohl … eher hin, sozusagen.«
»Hin? Tot etwa? Spinnst du?«

Leseprobe >Stückerlweis<:

»Eine Matschleiche auf den Gleisen. Das hat mir heute gerade noch gefehlt«, stöhnte der kurz gewachsene übergewichtige Hauptkommissar Franz Wurmdobler, während er mit seinem durchtrainierten mittelgroßen Kollegen, Kommissar Bernd Müller, den Unfallort erreichte.

Zuerst war sein Auto in der Früh nicht angesprungen. Dann hatte er in der Kantine keinen Schweinsbraten mehr bekommen, weil er eine Minute zu spät dran war. Nach der Mittagspause hatte ihn der Chef zur Minna gemacht, weil die letzte Reisekostenabrechnung angeblich minimal nicht gestimmt hatte. Und jetzt das.

»Das dritte Mal dieses Jahr«, fuhr er fort. »Scheint immer mehr in Mode zu kommen, sich auf diese Art umzubringen.« Er schüttelte genervt und erschüttert zugleich den haarlosen Kopf.

»Sein Name war Gerhard Bockler«, erwiderte Bernd, den die Kollegen auf dem Revier wegen seiner teils überharten, nicht immer ganz legalen Verhörmethoden auch den scharfen Bernd nannten. »Er war der Schuldirektor vom Pasinger Gymnasium. Vielleicht ein Burn-out. Kommt bei Lehrern immer häufiger vor, wie man hört.«

»Kannst du neuerdings hellsehen?« Franz zog erstaunt die Brauen hoch.

»Nein, noch nicht. Wieso?«

»Woher weißt du dann den Namen des Opfers?«

Leseprobe >Brummschädel<:

"Thomas?“ Gernot lag auf dem Rücken. Er öffnete langsam die Augen. „Bist du da?“

Er drehte seinen Kopf nach rechts und stellte fest, dass Tausende von winzigen Staubpartikeln den Fußboden bedeckten. 20 Zentimeter darüber erkannte er die Matratze eines Bettes auf ihrem Lattenrost. Von unten. War das sein Bett? Hatte er auf dem blanken Parkett daneben übernachtet? Was war geschehen? Wo verdammt noch mal war Thomas? Er drehte den Kopf auf die andere Seite. Nichts. Nur die weiß gestrichene Wand vor seinem Gesicht. Eine Fliege kletterte gerade etwas oberhalb seiner Blickrichtung daran empor.

Unter den pochenden Schmerzen in seinen Schläfen laut aufstöhnend erhob er sich und blickte sich um. Aha. Er befand sich tatsächlich in seinem Hotelzimmer. Die Sonne schien. Also war es Tag. Anzughose und Hemd hatte er an, seine Socken ebenfalls. Die dunkelblauen, die ihm Magda letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte. So weit hatte alles seine Richtigkeit. Aber war wirklich alles gut? Gestern hatte es hier ganz anders ausgesehen. Adrett, sauber und aufgeräumt, wie es sich für ein Münchner Hotelzimmer der oberen Preisklasse normalerweise gehörte. Doch nun lagen überall Bettwäsche, Essensreste und Kleidungsstücke von ihm verstreut. Es roch nach Erbrochenem.

„Thomas! Verdammt noch mal, wo bist du denn?“ Er stolperte quer durch den Raum zur offenen Balkontür hinüber. Nichts. Keine Spur von seinem Arbeitskollegen.

Leseprobe >Krautkiller<:

»Hilfe! Hilfe! Der Peter! Der Peter! Hilfe!« Die hübsche polnische Beiköchin des Chiemgauer Seehofs, Tanja Dimitrowsky, stürmte laut schreiend und wild gestikulierend aus dem Vorratsraum im Keller, der nur zwei Ecken weit von der Sauna entfernt lag. Dabei lief sie dem Exkommissar und jetzigen Privatdetektiv Max Raintaler und seinem Freund und Exkollegen Hauptkommissar Franz Wurmdobler direkt in die Arme.
Es war Montag früh. Beide hatten gerade ihren dritten Saunagang beendet und waren in Badehosen und weißen Hotelbademänteln auf dem Weg zum Hallenbad, das sich ebenfalls hier unten im Keller befand. Das Hotel war mit seinen 40 Zimmern nicht gerade groß, dafür aber sehr gepflegt, und überall im Haus herrschte eine sehr freundliche, familiäre Atmosphäre.
»Hoppala«, rief Franz, als Tanja gegen ihn und Max prallte. »Was ist denn passiert, junge Frau?« Er zog den Gürtel seines Bademantels enger und sah sie neugierig an.
»Genau. Und wer ist denn dieser Peter?«, erkundigte sich Max freundlich lächelnd.
»Der Peter ist … ist unser … unser Chefkoch, Peter Sollner«, stammelte sie aufgeregt, während sie fahrig ihre langen blonden Haare hinter die Ohren zurückstrich. »Er sitzt im Vorratsraum und rührt sich nicht.« Sie war leichenblass, stöhnte laut auf. Tränen stiegen ihr in die hellblauen Augen.
»Vielleicht schläft er ja. Obwohl … es ist gleich halb neun. Da sollte ein Koch eigentlich wach sein, wegen der ersten Vorbereitungen fürs Mittagessen.« Der kurz geratene, übergewichtige Franz nickte ihr aufmunternd zu. Der Schweiß lief ihm aus allen Poren. Sein Kopf hatte die Farbe einer gut gereiften Tomate. Er war immer noch völlig überhitzt.
»Oder er meditiert«, fügte der große durchtrainierte Max gutgelaunt hinzu.

Leseprobe >Jack Bänger<:

»Verdammte Scheiße!«

Der Wecker klingelte. Ich musste dringend aufstehen, die Arbeit rief. Um zehn Uhr hatte ich diesen gnadenlos wichtigen Termin mit der neuen Produktionsfirma im Norden der Stadt, bei der ich mein neues Projekt vorstellen sollte. Ein hübscher kleiner Nebenjob, bei dem es um sehr viel Geld ging, für sehr wenig Aufwand. Aber von all dem wusste ich im Moment nichts mehr. Ich öffnete ja gerade erst die Augen und blickte mich in meinem Schlafzimmer um, ganz vorsichtig, damit das hämmernde Stechen in meinen Schläfen nicht noch stärker wurde. Neben mir lag ein Körper, offensichtlich ein Häschen. Keine Ahnung, wie sie in mein Bett gekommen war, aber sie war da. Sie atmete, sie war blond und sie sah verdammt gut aus. Zumindest die Teile von ihr, die nicht von der Decke verborgen waren. Anscheinend hatte ich sie mit meinem Fluchen geweckt, denn sie schlug langsam ihre großen blauen Augen auf und lächelte.

»Guten Morgen, Jack.«
»Hallo, Schätzchen. Ich wüsste jetzt gar nicht … äh, wie du in mein Bett kommst?«
»So besoffen, wie du gestern warst, ist das auch kein Wunder. Wir haben uns am späten Abend im ›23‹ kennengelernt. Du wolltest unbedingt, dass ich noch mit zu dir komme. Ich heiße übrigens Manuela. Was du sicher auch vergessen hast.«
»Manuela. Aha!«

Natürlich hatte ich vergessen, wie sie hieß. Bevor ich sie gerade entdeckt hatte, hatte ich ja nicht einmal gewusst, dass es sie gab. »Haben wir …?«
»Was heißt hier, haben wir? Du warst doch zu nichts mehr imstande. Und das meine ich wörtlich.«
»Blödsinn.«
»Kein Blödsinn. Deine Nudel war schlapp wie gargekocht. « Sie grinste frech zwischen ihren langen Locken hervor.

Ich mag es nicht, wenn mir Leute am frühen Morgen vorwitzig kommen. Erst recht nicht, wenn sie mir dabei auch noch angebliche Schwächen meinerseits unter die Nase reiben und mich damit beleidigen. Klare Sache, dass ich ihr das unmöglich durchgehen lassen konnte. Ich lasse mich schließlich nicht zum Affen machen. Schon gar nicht von irgendwelchen halbgaren Hühnern, die ungefragt in meinen Federn herumliegen. Sobald ich vollständig wach war, würde mir sicher eine angemessene Strafe für sie einfallen.

Also stand ich erst mal auf und verfrachtete mich ins Bad. Rasieren, Dusche, Zähneputzen, Deo, das übliche Programm. Dabei fiel mir siedend heiß mein Termin bei dieser neuen Produktionsfirma wieder ein.

Leseprobe >Andechser Tod<:

»Hey, schaut mal, Leute! Das ist doch … ein … verdammt noch mal, da fliegt doch ein Ufo!« Hauptkommissar Franz Wurmdobler zeigte mit vor Aufregung wackelnden Backen in den sternenübersäten Nachthimmel.

»Blödsinn, Franzi. Das Einzige, was hier draußen um diese Zeit fliegt, sind die Mücken.« Exkommissar Max Raintaler, der gerade einen großen Schluck aus seiner Bierflasche gemacht hatte, schlug sich zum Beweis seiner These kräftig auf den Unterarm. »Scheißviecher!«, rief er dabei. »Habt ihr gewusst, dass die inzwischen auch in unseren Breitengraden die Malaria übertragen können?«

»Geh Schmarrn, Max. Du immer mit deiner Krankheitspanik. Wo ist ein Ufo, Franzi?« Der schnauzbärtige dunkelhaarige Torwart des Thalkirchner FC Kneipenluft, Josef Stirner, der ihnen, wie gewöhnlich in Jeans, Hemd und Sakko gekleidet, gegenübersaß, drehte sich neugierig um. »Ich sehe nichts.«

Josef hatte Max, seinen pfeilschnellen blonden Spielerkollegen beim FC, und den kleinen dicken Franz samt weiblichem Anhang auf das Maifeuer bei Machtlfing eingeladen. Es hatte sich so ergeben, weil er hier im Fünfseenland zwischen Starnberger See und Ammersee seit einem halben Jahr ein großes von seinem Vater geerbtes Anwesen bewohnte. Wegen der guten Landluft. Natürlich hatte der reiche Millionenerbe und alte Schulfreund der beiden, der in München-Thalkirchen sowie in Malibu zwei weitere sehr ansehnliche Villen besaß, erstklassige Ehrenplätze an einem gemütlichen lang gestreckten Biertisch nahe dem Feuer für sie alle besorgt.

Um sie herum tobte das Leben in der fast schon sommerlich warmen Samstagnacht. Ansässige Bauern, Besucher aus der Stadt, von gestern übriggebliebene Freaks, langhaarige Reggaetypen von gestern und heute, Punks in Lederjacken, Oberwichtige im Anzug oder in der Tracht, Arbeiter im Vollrausch, Akademiker im Vollrausch. Fantasievoll verkleidete Frauen, Männer, Alte, Junge. Hier war heute schätzungsweise alles, was in der nächsten Umgebung zwei Beine hatte und über 18 oder knapp darunter war, vertreten und feierte gemeinsam die Nacht der Hexen und des Aberglaubens, der Teufel und der Leidenschaft, des Tanzes und der Drogen, des Alkohols und des seit jeher bösen Erwachens danach: die Walpurgisnacht.

Leseprobe >Alpentod<:

Herrschaftszeiten! Was ist denn das schon wieder für eine Scheiße?“ Der blonde Münchner Exkommissar Max Raintaler mit den stahlblauen Augen fluchte wie ein Kesselflicker, als er dieselben öffnete und sah, dass er nichts sah. Was auch weiter kein Wunder war, denn um ihn herum herrschte nichts als absolute Dunkelheit. Etwas stach ihn in die linke Backe, sobald er sich auch nur einen Zentimeter bewegte. Er bekam fast keine Luft. Unter größter Anstrengung drehte er seinen Kopf. Dabei war ihm, als lastete eine Zentnerlast darauf. Danach spürte er denselben bohrenden Schmerz, den er gerade links bemerkt hatte, auf der rechten Seite seines Gesichts.

„Verdammt! So ein Mist!“ Es musste ein spitzer Stein oder die Oberfläche von einem Felsen sein, auf dem er lag. Er versuchte, seine Hände zu bewegen. Keine Chance, er hatte nicht das geringste Gefühl darin. Das Gleiche galt für seine Beine. Querschnittsgelähmt, kam es ihm. Was sonst? Alles vorbei. Blanke Panik jagte wie ein Stromstoß durch seinen Körper. Er zwang sich dazu ruhig zu bleiben, langsam zu atmen, versuchte, sich daran zu erinnern, was ihn in diese fatale Lage gebracht hatte.

Richtig. Gerade eben war er noch, wie so oft am Wochenende im Winter, mit seinem Freund und Vereinskollegen beim Thalkirchner FC Kneipenluft, dem grandiosen Torwart Josef Stirner, das Dammkar in Mittenwald hinuntergefahren. Freeriden vom Feinsten, genial. Frühmorgens, solang die anderen noch verschlafen beim Samstagsfrühstück saßen, bei strahlend blauem Himmel durch gut 30 Zentimeter hohen frischen Pulverschnee die ersten Spuren ziehen, das war purer Powderalarm! Das höchste aller Gefühle. Sogar jetzt noch, Ende Februar. Wer das Dammkar kannte, brauchte keine Rocky Mountains in Kanada mehr. Genauso wenig wie einen Helikopter. Hier wurde man ruckzuck in gut zehn Minuten mit der Gondel der Karwendelbahn hinaufgeschafft. Auf über 2.200 Meter. Von der Gipfelstation aus durchquerte man anschließend zuerst zu Fuß einen 400 Meter langen eiskalten Tunnel, wonach man auf der Rückseite des Berges wieder herauskam. Die mit sieben Kilometern längste Skiabfahrt Deutschlands führte dann von hier aus zwischen riesigen senkrechten Felswänden hinunter, immens steil, extrem gefährlich und immer schattig. Nur absolute Könner wie Max und Josef durften sich in dieses wilde, naturbelassene Terrain wagen. Jeder untrainierte Anfänger wäre rettungslos verloren gewesen.

Leseprobe >Wer mordet schon am Chiemsee?<:

Es war verdammt kalt an diesem Samstagabend Anfang Februar. Rudi trank einen Schluck Lambrusco und rutschte ein Stück tiefer in seinen Schlafsack hinein. Dann holte er die Dose Ölsardinen aus der Tasche, die ihm ein altes Mütterlein heute Mittag in die Hand gedrückt hatte, zog mit steifgefrorenen Fingern den Deckel ab und begann gierig zu essen. Der Streit, den er vorhin mit Theo gehabt hatte, ging im andauernd im Kopf herum. All die bösen Worte. All die grenzenlose Wut. War das wirklich nötig gewesen? Theo und er waren seit Jahren die besten Freunde, soweit man in ihrem Umfeld überhaupt von besten Freunden sprechen konnte. Letztlich kämpfte auf der Straße jeder für sich allein. Aber Theo und er, das war bisher immer die große Ausnahme gewesen.

Die Ölsardinen schmeckten gut, gaben ihm Kraft. Er spülte mit einem weiteren Schluck Lambrusco nach. Die beiden Zehen am rechten Fuß, die er sich vor drei Jahren erfroren hatte, taten ihm weh. Ein übles Stechen und Ziehen. Egal. Bald würde sowieso alles zu Ende sein. Die Lebenserwartung hier draußen war nicht besonders hoch. Das wusste er, seitdem er damit angefangen hatte, die Platte zu machen. Und jetzt war auch noch Theo weg. Gar nicht gut. Zu zweit konnten sie sich wesentlich besser vor Überfällen schützen als alleine. Alleine durftest du keinen tiefen Schlaf haben, sonst wärst du am nächsten Morgen entweder gar nicht mehr aufgewacht oder sie hätten dich bis auf die Unterhose ausgeraubt. Bestimmt wäre Theo bald zurück. Er war bisher noch jedes Mal zurückgekommen, wenn sie gestritten hatten. Verdammt noch eins, er musste einfach zurückkommen. Schließlich hatte er nur Theo. Was sollte er denn ohne ihn tun?

Dabei war der Grund für ihren Streit so banal gewesen. Theo hatte Rudi als Verlierer beschimpft, und Rudi wollte sich das nicht gefallen lassen. Er wäre kein Verlierer, er habe nur Pech gehabt, hatte er Theo geantwortet. Außerdem habe er keine Lust mehr, sich immer wieder dieselbe Scheiße anzuhören. Theo hatte daraufhin gemeint, wenn hier einer Scheiße erzählen würde, sei das Rudi und nicht er. Da war es Rudi zu bunt geworden. Er hatte Theo ein hirnloses besoffenes Arschloch genannt, woraufhin dieser wutentbrannt seine Sachen gepackt hatte und verschwunden war. Seitdem saß Rudi alleine auf ihrem Platz im Stadtpark, neben dem Gebüsch, gleich bei der großen Eiche. An ihren Stamm konnte man sich wunderbar anlehnen. Ganz so als hätte man einen Stuhl hier draußen. Die Büsche schützen vor dem kalten Wind, vor dem Eis und dem Schnee schützten sie nicht.

Leseprobe >Mordswiesn<:

„Country roads, take me home, to the place I belong …”

Das ganze Bierzelt dröhnte und wackelte, während Hunderte von Kehlen ihrer Sehnsucht nach West Virginia freien Lauf ließen. Exkommissar Max Raintaler wunderte sich wie schon so oft darüber, was all diese Menschen aus aller Herren Länder wohl dazu brachte, ausgerechnet in dem winzigen Appalachenstaat unweit der amerikanischen Ostküste ihre Heimat zu sehen. Wussten die denn nicht, wie ärmlich es dort zuging? Noch um vieles ärmlicher als irgendwo sonst in den USA, bis auf den Staat Mississippi vielleicht. West Virginia oder Fürstenfeld in Österreich, das waren seit Jahren die zwei mit Abstand beliebtesten Reiseziele der Oktoberfestgäste. Fast jeder, der hier zu Gast war, schien aus welchen Gründen auch immer unbedingt dorthin zu wollen.

Der sportliche blonde Urbayer schaute sich kopfschüttelnd um. Aber wieso kommt ihr dann alle jeden Herbst hierher nach München?, dachte er und gab sich gleich selbst die passende Antwort darauf: Weil unser Bier so gut schmeckt wie sonst nirgends und weil die Stimmung in unseren Bierzelten weltweit einfach einzigartig ist. Und natürlich weil es bei uns in Bayern sowieso am schönsten ist. Genau. Er grinste zufrieden.

Leseprobe >Isarhaie<:

Er beugte sich schwankend ein Stück weit hinab, um das Gesicht seines liegenden Gegenübers besser erkennen zu können. Als das kein befriedigendes Ergebnis erbrachte, beugte er sich noch etwas weiter hinunter, was er, im Nachhinein betrachtet, besser nicht getan hätte. Denn da die Untergiesinger Luft, wie auch überall sonst auf der Welt, keine Balken hatte, an denen er sich hätte festhalten können, verlor er dabei unweigerlich das Gleichgewicht und stürzte Kopf voraus und Hände nach hinten wie ein überdimensionaler Geier im Sturzflug zu Boden. Genau auf den Körper unter ihm.

„Hoppala, bitte um Entschuldigung!“, murmelte er gleich nach der weichen Landung erschrocken. Eilig stützte er sich irgendwo ab, um sich wieder aufzurichten. Dabei fiel ihm auf, dass die Brust, die er unter seiner rechten Hand spürte, eine weibliche sein musste. Neugierig blickte er ins Gesicht seines Hindernisses, das zum größten Teil von einem dichten Schopf roter Haare verborgen war, wie er jetzt aus der Nähe erkennen konnte, und fand seine Vermutung bestätigt. Er lag auf einer Frau.

„Verdammt, was ist denn das?“, fluchte er laut. „Die blutet ja wie ein Schwein … da am Hals. Ja, die Hölle! Und atmen tut sie auch nicht. Ja, Herrschaftszeiten, die ist doch … Dings … äh … tot, Raintaler, oder?“

Leseprobe >Isarblues<:

„Wie kann man dir ein Lied klauen?“, fragte Max weiter, während er sich vornahm, seine Augen vorsichtig wieder zu öffnen. Seine Lider klappten nach oben. Gott sei Dank, alles funktionierte noch.

„Ganz einfach“, entgegnete ihm Heinz, der über und über mit weißem Schaum bedeckt war. „Wenn du ein Lied komponierst und textest, hast du die Urheberrechte daran. Und wenn das Lied auf CD gepresst oder in der Öffentlichkeit gespielt wird, bekommst du Geld für diese Urheberrechte. Vorausgesetzt, du hast dein Werk bei der GEMA oder einer anderen Verwertungsgesellschaft angemeldet.“

„Logisch. Das weiß ich auch. Aber wie konnte man dir dein Lied klauen? Du als alter Profi meldest doch bestimmt jedes deiner Werke rechtzeitig an.“ Max schaute seinem Freund neugierig ins Gesicht.

„In diesem Fall tat ich das leider nicht. Als ich es damals vor fünf Jahren geschrieben hatte, dachte ich, dass es sowieso keine Chancen auf dem Markt hätte, und habe die Noten und die Demobänder davon einfach in meinen Schrank im Studio gelegt.“

„Und wann hast du bemerkt, dass man sie gestohlen hat?“ Genug Wasser, Raintaler. Sonst trocknet bloß deine Haut aus. Max drehte seine Dusche zu.

„Gestern Abend. Da hat eine junge Sängerin das Lied im Fernsehen gesungen. Burgl Schäfer heißt das kleine Miststück.“ Heinz blickte grimmig unter seinen nassen, roten Locken hervor.

„Dein Lied?“

„Mein Lied. Bis auf die letzte Note und den letzten Buchstaben. Es ist mir ein völliges Rätsel, wie sie dazu kommt.“ Heinz drehte ebenfalls das Wasser ab.

„Du kannst dich noch so gut daran erinnern, obwohl es jahrelang in deinem Schrank unbeachtet vor sich hingegammelt hat? Max machte ein ungläubiges Gesicht.

„Glaube mir, Max. Ich kenne alles, was ich jemals komponiert und getextet habe. Jede Note und jede Silbe. Das vergisst man nicht. Und ich schon gar nicht.“ Sie begaben sich gemeinsam in die stickige Garderobe zurück.

„Ach, wirklich? Und was soll ich jetzt konkret für dich tun?“, fragte Max, während er sich neben Heinz zu seiner Tennistasche setzte und seine Klamotten herauszerrte.

Leseprobe >Isarbrodeln<:

Max dachte daran, wie er ihn kennen gelernt hatte. Es war in seinen Anfangsjahren bei der Kripo gewesen. Giovanni hatte damals in einem kleinen Pizzastand in Schwabing gearbeitet und vergessen gehabt, Max die Salami auf seine Pizza zu legen. Der hatte sich natürlich darüber beschwert. Aber Giovanni hatte so getan, als hätte Max die Pizza genau so bei ihm bestellt, wie sie zwischen ihnen lag, ohne Salami. Max hatte daraufhin, obwohl er seit zwei Stunden außer Dienst war, seinen Polizeiausweis gezückt und ihm damit gedroht, die Bude zu schließen, wenn er nicht sofort seine Salami bekäme. Plus eine Entschuldigung. Als Giovanni ihm beides mit dem Hinweis darauf, dass Max selbst schuld wäre, wenn er nicht anständig bestellen könne, trotzig verweigerte, warf der wutentbrannt seine salamilose Pizza an die hintere Wand des kleinen Verkaufsraums. Daraufhin entstand zuerst ein Riesentumult, gespickt mit den phantasievollsten Beschimpfungen auf beiden Seiten, wobei das Italienische dem Bayrischen in nichts nachstand, und dann geschah es. Während einer kurzen Gefechtspause lief Giovanni zu seinem Ofen, holte fünf unbelegte warme Pizzas heraus, stapelte sie auf dem Verkaufstresen übereinander, knallte noch eine ganze Salami am Stück daneben hin und forderte Max lautstark auf, sich seine bescheuerte Pizza doch gefälligst selbst zu machen. Der sah den tobenden Pizzabäcker erst einmal mit offenstehendem Mund an, dann konnte er einfach nicht mehr anders. Er musste lachen. Immer lauter. Giovanni stimmte nach einer Weile ein. Er zauberte von irgendwo eine Flasche Grappa hervor und sie tranken, bis sie leer war. Seitdem waren Max und sein Kollege Franz damals beinahe täglich bei Giovanni vorbeigekommen, um sich eine Pizza Salami zu holen. All ihren anderen Kollegen hatten sie den kleinen Pizzastand auch empfohlen. Das Weitere ergab sich zwingend. Giovannis Umsatz stieg, und Max und er wurden dicke Freunde.

Leseprobe >Alpengrollen<:

Sie hörte Schritte von weit her. Sehen konnte sie nichts. Der Sack, den sie ihr über den Kopf gezogen und am Hals festgeschnürt hatten, ließ das nicht zu. Nur für ihren Mund war eine Öffnung ausgespart, durch die sie ihr vor ein paar Stunden Wasser gegeben hatten. Und irgendeinen ekelhaften Brei. Wann genau das gewesen war, konnte sie nicht sagen. Sie hatte kein Zeitgefühl mehr. Wusste nicht, wie lange sie schon hier auf dem kalten Boden lag. Dass er feucht war und aus Stein oder Fliesen sein musste, konnte sie mit den Händen spüren.

Jetzt öffnete jemand die Tür. Ein eisiger Windhauch zog zu ihr herüber. Sie betete zu Gott, dass man ihr nicht wieder eine von diesen Spritzen gab, die sie so schwindelig machten. Und so müde. Ihre Arme und Beine taten weh. Die engen Fesseln schnitten in die Gelenke ein. Sie konnte sich kaum noch bewegen. Hatte immer wieder geweint in den letzten zwei Tagen. Sich immer wieder gefragt, wie sie nur in diese ausweglose Situation hatte geraten können. Doch so sehr sie sich auch den Kopf zermarterte, sie kam nicht darauf. Konnte sich lediglich daran erinnern, dass sie mit ihren Freundinnen beim Skifahren gewesen war. Auf dem Nachhauseweg am frühen Abend hatten sie dann im Eiscafé in der Stadt noch etwas getrunken. Und dann ... Nichts mehr ... Zappenduster. Als hinge ein dicker schwarzer Vorhang vor ihrer Erinnerung.

Schon eine ganze Zeit lang spürte sie ihre Füße nicht mehr. Jemand trat neben sie und redete in einer Sprache zu ihr, die sie nicht verstand. Der barsche Tonfall machte ihr Angst. Sie spürte wieder die Plastikflasche von vorhin an ihrem Mund. Schluckte gierig. Hatte großen Durst. Dann flehte sie mit zitternder Stimme blind in den Raum hinein, sie doch bitte, bitte wieder freizulassen.